AHV21 - so nicht !

Von: Katharina Prelicz-Huber

Juni 2021 – wir sind mitten im «Jubeljahr» zu erst 50 Jahre Frauen-Stimm- und Wahlrecht. 2 Jahre nach dem historischen Frauen*streik, der über eine halbe Million Frauen* und solidarische Männer* auf die Strasse trieb, um ihrem Unmut und ihrer Wut Ausdruck zu verleihen über die immer noch bestehenden Ungleichheiten zwischen Frau* und Mann*.

Wieder sind wir wütend und rufen zu Streik-Aktionen auf: Statt die Löhne und Renten der
Frauen zu erhöhen, will uns die bürgerliche Mehrheit eine AHV-Reform aufzwingen, die
gerade Arbeitnehmerinnen mit prekären Jobs und tiefen Löhnen verpflichtet, länger zu
arbeiten. Das ist inakzeptabel!


Die Pandemie hat uns Menschen und die Arbeitswelt erschüttert, die Ungleichheit verschärft
und die Einkommensschere weiter geöffnet. Die Reichsten werden durch Einkommen und
Börsengewinne noch reicher, während es die Ärmsten mit den tiefsten Löhnen am härtesten
trifft, überproportional die Frauen. Es sind gleichzeitig vorwiegend die Frauen, die diese Krise
tragen in den systemrelevanten Berufen des Service Public.


Wie wichtig ein guter Service Public ist, wurde in der Krise deutlich: ein gut funktionierendes
Gesundheitswesen, gute Bildung – auch online, öffentlicher Verkehr, Abfallwesen,
Kommunikation, Wohnen, Energie bspw. fürs Homeoffice und die vielen Videokonferenzen
etc. Dem gilt es Sorge zu tragen und nicht etwa an Sparpakete zu denken, weil der Staat
Geld ausgab für Unterstützungsmassnahmen für Arbeitnehmende, Selbständige,
Freelancer*innen etc.! Die Pandemie hat ausserdem deutlich gezeigt, wie systemrelevant
gerade die Care-Berufe in Pflege und Betreuung sind, grossmehrheitlich verrichtet von
Frauen. Was hätten wir gemacht ohne das Gesundheitspersonal! Wo aber ist die dringend
nötige Anerkennung mit besseren Arbeitsbedingungen und höheren Löhnen? Klatschen
genügt nicht! Denn wir haben seit Jahren ein Problem: Bis 2030 fehlen bis zu 200'000
Gesundheitsfachleute!


Offensichtlich wurde, dass Kinderbetreuung und Pflege der betagten Familienangehörigen
nicht zeitgleich mit Homeoffice geleistet werden kann! Kitas sind systemrelevant und müssen
allen als Teil des Service Public zur Verfügung stehen. Ihre Finanzierung ist aber nicht
gesichert, die Löhne sind tief, der Betreuungsschlüssel knapp und zu viele Stellen aus
Kostengründen mit Nichtausgebildeten oder Praktikant*innen besetzt.


Die Frauen, die uns durch die Krise tragen, hätten eine anständige Rente verdient. Gerade
ihnen ist aber eine gute Rente wegen ihren tiefen Löhnen nicht vergönnt. Eine Fachperson
Betreuung im Kinderbetreuungsbereich bspw. verdient beim Berufseinstieg Fr. 4 – 4'200 und
nach 10 Jahren Erfahrung Fr. 4'500 – 4700 monatlich. Der Grund für die tiefen Löhne ist
einzig, dass die Arbeit von Frauen geleistet wird. Ein Credit- und Riskmanager aber beginnt
mit Fr. 8750, ein Chief Financial Officer gar mit Fr. 14'000 monatlich. Wenn die Fachperson
Betreuung noch eigene Kinder hat und nur Teilzeit arbeitet, erwartet sie im Alter eine
miserable, den Manager eine fürstliche Rente. Eine unhaltbare Situation; eine Aufwertung
der Pflege- und Care-Berufe ist dringend!


Das müsste der Nationalrat mit «AHV 21» angehen, nicht eine Rentenaltererhöhung für
Frauen mit beschämend tiefen Ausgleichszahlungen. Ausschliesslich auf unserem Buckel
soll das AHV-Loch gestopft werden. Neben allen Ungleichheiten sollen wir ein Jahr länger
arbeiten und dazu noch jährlich Fr. 1200 Rente verlieren. Ein Affront! Speziell wenn die
neuen Zahlen berücksichtigt werden: Ohne Lohnungleichheit hätten wir keine Lücke und
jährlich 825 Mio mehr in der AHV-Kasse! Zudem gäbe es für die Ausfinanzierung des AHVLochs
weit nachhaltigere und solidere Lösungen wie die Erhöhung des Bundesbeitrages, die
Verwendung der SNB-Gewinne oder eine Börsentransaktionssteuer.


Die AHV ist die fairste, sozialste und sicherste Sozialversicherung – gerade für Junge. Sie
darf nicht geschwächt, sondern muss gestärkt werden. In der Pensionskasse bekommen die
Frauen gerade einmal die Hälfte der Männer. Über ein Drittel der Rentnerinnen lebt einzig
von der AHV. Die BVG-Rentenhöhe sinkt für alle kontinuierlich trotz immer höheren
Beiträgen. Der zurzeit diskutierte Sozialpartnerkompromiss wird von den Bürgerlichen wegen
dem integrierten kleinen Umlageeffekt heftig angegriffen. Er bringt zwar eine deutliche
Verbesserung vor allem für Tieflöhner*innen und für Frauen und muss deshalb unbedingt
unterstützt werden. Das BVG bleibt aber ein schlechtes Gesetz und langfristig muss auf die
AHV gesetzt werden. Mit ihr soll das Ziel erreicht werden, im Alter «das gewohnte Leben»
weiterführen zu können. Die SGB-Initiative «für eine 13. AHV-Rente» ist dazu ein wichtiger
Schritt in die richtige Richtung.